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Psychologische Instrumente zur Messung von Achtsamkeit

Achtsamkeit kann mit vielen Verfahren erfasst und beobachtet werden… Die psychologische Herangehenweise setzt sich zunächst mit der Frage auseinander, was Achtsamkeit eigentlich ist – ein (momentaner) Zustand oder eine Eigenschaft über die eine Person verfügt?

Achtsamkeit aus psychologischer Perspektive

Nach Kabat-Zinn (1994) bedeutet Achtsamkeit „auf bestimmte Weise aufmerksam zu sein, d.h., diese absichtsvoll und nichtwertend auf den gegenwärtigen Moment zu richten“. Man kann Achtsamkeit als State oder Trait definieren.

States sind vorübergehende Zustände, also aktuelle Stimmungen oder das momentane Befinden. Sie variieren über die Zeit (nehmen zu oder ab oder verschwinden wieder ganz). Sie hängen von der Situation ab, in der sie auftreten sowie von der Persönlichkeit der Person (z.B. Neigung zu bestimmten Befindlichkeiten).

Traits sind generelle und zeitlich stabile Eigenschaften einer Person. Also das habituelle Verhalten (die Person fühlt und handelt häufig so). Sie hängen weniger von der Situation ab, sondern repräsentieren die Persönlichkeit der Person.

Achtsamkeit kann demnach ein Zustand sein und das momentane Befinden wiederspiegeln oder eher eine stabile Eigenschaft einer Person darstellen.

Erfassung von Achtsamkeit mit Selbsteinschätzungsfragebögen

opened magazine

Abhängig von der Achtsamkeitsdefinition eignen sich verschiedene Messinstrumente für die Erfassung von Achtsamkeit. In der Regel wird Achtsamkeit als Trait erfasst. Eine Ausnahme bildet der TMS (The Toronto Mindfulness Scale), dieser erfasst Achtsamkeit als State, d.h. als vorübergehenden Zustand. Klassische Instrumente, die Achtsamkeit als Trait erfassen, sind der MAAS (Mindfulness Attention Awareness Scale) und der FFMQ (Five Facets Mindfulness Questionnaire). Darüber hinaus kann man entscheiden, ob man einen Gesamtwert für Achtsamkeit erfassen will (eindimensional, wie beim MAAS) oder verschiedene Facetten von Achtsamkeit erheben will (mehrdimensional, wie beim FFMQ).

Mindfulness Attention Awareness Scale (MAAS) nach Brown & Ryan, 2003 und Michalak et al., 2008

Der MAAS besteht aus 15 Aussagen, denen man auch einer Skala zustimmen kann und erfasst Achtsamkeit in einem Gesamtwert. Hohe Werte bedeuten hier, dass die Eigenschaft der Achtsamkeit bei der Person stark ausgeprägt ist. Die Aussagen sind umgekehrt formuliert: z.B.

Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich in Gedanken an die Zukunft oder Vergangenheit versunken bin. (1 Punkt: fast immer / 6 Punkte: fast nie)

Weiterleitung – Hier findet man den Fragebogen des MAAS: Hier klicken

Five Facets Mindfulness Questionnaire (FFMQ) nach Baer et al., 2006 und Michalak et al., 2016

Der FFMQ geht von einem Facettenmodell der Achtsamkeit aus. Achtsamkeit wird definiert durch die 5 Facetten: Beobachten, Beschreiben, mit Aufmerksamkeit handeln, Akzeptieren ohne Bewertung und Nichtreaktivität. Der FFMQ besteht aus 39 Aussagen, die Achtsamkeit widerspiegeln und denen auf einer Skala zugestimmt werden kann. Hohe Werte erzielt man hier, wenn man möglichst vielen Aussage stark zustimmen kann.

Wenn ich ein Bad nehme oder dusche, dann achte ich auf die Empfindungen des Wassers auf meinem Körper (1 Punkt: nie oder sehr selten zutreffend / 5 Punkte: sehr oft oder immer zutreffend) > Erfassung der Facette Beobachten (frei aus EN übersetzt)

Weiterleitung – Hier findet man den Fragebogen des FFMQ: Hier klicken

Check list with two pens

Ein weiteres interessantes Instrument zur Erhebung von Stimmungen und Affekten ist der PANAS (Positive and Negative Affect Schedule).

Positive and Negative Affect Schedule (PANAS) nach Watson, Clark und Tellegen (1988)

Der PANAS erhebt positive und negative Affekte in einem definierten Zeitraum (im Allgemeinen: dann wird eher nach Traits gefragt, in den letzten Tagen/Wochen: dann wird eher nach States gefragt). Es werden Adjektive (je 10 für positive und negative Affekte) präsentiert und auf einer Skala gibt man an, wie häufig man diese im genannten Zeitraum gefühlt hat. Hohe Werte kann man für beide Affekttypen getrennt erzielen.

aktiv / verärgert / wach / aufmerksam / ängstlich etc. (1 Punkt: gar nicht / 5 Punkte: äusserst)

Weiterleitung – Hier findet man die deutsche Version des PANAS-Fragebogens: Hier klicken

Die Auswertung dazu findet man in dieser Dokumentation zur Konstruktion der deutschen Version (S. 4): Hier klicken

Diese Fragebögen geben einen Einblick in die Möglichkeiten der psychologischen Messung von Achtsamkeit anhand von kurzen, ökonomischen Fragebögen. Hier ist natürlich eine gewisse Selbstbeurteilungskompetenz gefragt. Interessant wäre es, diese mit anderen Erhebungsmethoden (wie physiologische Messungen) zu vergleichen – ergibt sich hier ein einheitliches Bild zur Achtsamkeit bei einer Person?

Veränderungen der State- und Trait-Achtsamkeit beim Üben von med. Entspannungsverfahren (MEV)

Beim Üben von MEV findet ein kontinuierlicher Ansteig der State-Achtsamkeit statt. Auch die Trait-Achtsamkeit nimmt zu und zeigt sich vermehrt im Alltag der übenden Person. Die sich entwickelnde Achtsamkeitsfähigkeit wird damit zunehmend zu einem Teil der Persönlichkeit als Eigenschaft oder Persönlichkeitsmerkmal der Person. Eine Zunahme der Trait-Achtsamkeit geht mit weiteren positiven Effekten einher, wie höheres Wohlbefinden, reduzierte Symptombelastung, niedrigere Neurotizismus- und Angstwerte. Der MAAS erfasst vor allem das Gegenwartsbewusstsein sowie die Fähigkeit zur fokussierten Aufmerksamkeit. Der FFMQ erfasst durch sein Facettenmodell verschiedene Aspekte wie die Beobachtungsfähigkeit, bewusstes Handeln im Alltag und Akzeptanz ohne Bewertung. Aus der entspannungsmedizinischen Perspektive erfassen die Fragebögen zur Trait-Achtsamkeit im Wesentlichen vier Selbstregulationsfähigkeiten: Beobachtungsfähigkeit und Distanzierfähigkeit, Kontrolle der Aufmerksamkeit, Gegenwartsbewusstsein des Körpers und eigenen Handelns sowie das Akzeptieren und Zulassen von negativen Affekten.

Spannend für die zukünftige Forschung wäre eine Weiterentwicklung und Anwendung von solchen Instrumenten in Kontext von Achtsamkeit bei Personen die regelmässig med. Entspannungverfahren (MEV) praktizieren (insbesondere Achtsamkeits-basierte Verfahren). Mit einer Adaption des PANAS könnte man eventuell Veränderungen im Erleben von positiven und negativen Affekten im Verlauf des Übungsprozesses oder vor oder nach dem Üben erfassen. Auch zur Affektregulation gäbe es noch Forschungsbedarf für geeignete Messinstrumente. Affektregulation wird z.B. bei den Skalen psychischer Kompetenzen (SPK) nach Huber, Klug & Wallerstein (2006) im Rahmen der Psychotherapieforschung erfasst. Kurze Fragebögen zum momentanen Befinden werden inzwischen immer häufiger in Studien mithilfe von Smartphones eingesetzt. Hier kann direkt im Alltag zu definierten Zeitpunkten die Befindlichkeit schnell und unkompliziert abgefragt werden. Dies wäre z.B. auch für Dimensionen der Achtsamkeit möglich, besonders für die State-Achtsamkeit. Die Trait-Achtsamkeit kann in grösseren Abständen regelmässig erfasst werden, um Veränderungen der Selbstregulationsfähigkeiten bei steigenden gesammelten Übungsstunden in MEV sichtbar zu machen.

Quellen:

Kabat‐Zinn, J. (2003). Mindfulness‐based interventions in context: past, present, and future. Clinical Psychology: Science and Practice, 10, 144-156.

Michalak, J., Heidenreich, T., Ströhle, G., & Nachtigall, C. (2008). Die deutsche Version der Mindful Attention and Awareness Scale (MAAS) Psychometrische Befunde zu einem Achtsamkeitsfragebogen. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 37, 200-208. doi:10.1026/1616-3443.37.3.200.

Michalak, J., Zarbock, G., Drews, M., Otto, D., Mertens, D., Ströhle, G., … & Heidenreich, T. (2016). Erfassung von Achtsamkeit mit der deutschen Version des Five Facet Mindfulness Questionnaires (FFMQ-D). Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 24, 1-12. doi:10.1026/0943-8149/a000149.

Krohne, H. W., Egloff, B., Kohlmann, C.-W. & Tausch, A. (1996). Untersuchungen mit der deutschen Version der „Positive and Negative Affect Schedule (PANAS). Diagnostica, 42, 139-156.

Huber, D., Klug, G. & Wallerstein, R. (2006). Skalen Psychischer Kompetenzen (SPK). Ein Messinstrument für therapeutische Veränderung in der psychischen Struktur. Kohlhammer: Stuttgart.